Wahrnehmung lokaler Handlungsspielräume im Mehrebenensystem

Abstract

Formal garantiert das Grundgesetz den deutschen Gemeinden die kommunale Selbstverwaltung, faktisch sieht sich die lokale Politik jedoch der Einflussnahme übergeordneter politischer Ebenen ausgesetzt. Sind sich Kommunalpolitiker dieser Einflussnahme gleichermaßen bewusst oder nehmen sie den lokalen Handlungsspielraum unterschiedlich wahr? Hat der Einfluss auf die lokalen Gestaltungsmöglichkeiten in der Wahrnehmung der Kommunalpolitiker vielleicht sogar zugenommen? Und worauf könnten Wahrnehmungsunterschiede zurückgeführt werden? Der vorliegende Beitrag greift diese Fragen auf.
Für die erste Frage zeigt sich, dass der lokale Gestaltungsspielraum einer Gemeinde sehr unterschiedlich eingeschätzt wird. Die empirischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die individuellen Charakteristika der Kommunalpolitiker – allen voran ihre interne Selbstwirksamkeit und ihr Alter – für die Perzeption lokaler Autonomie deutlich relevanter sind als der Gemeindekontext. Dessen ungeachtet sind auch die ökonomischen Rahmenbedingungen einer Gemeinde und die Häufigkeit direktdemokratischer Verfahren dafür verantwortlich, ob die hessischen Kommunalpolitiker einen geringen oder hohen lokalen Handlungsspielraum wahrnehmen. Obgleich der Handlungsspielraum einer Gemeinde sehr unterschiedlich eingeschätzt wird, besteht unter den befragten Politikern weitgehend Konsens darüber, dass die Gemeinden im Laufe der Zeit an Gestaltungsmöglichkeiten verloren haben. Ein Befund, der insbesondere demokratietheoretisch brisant ist.

Publication
In: Markus Tausendpfund und Angelika Vetter (Hg.): Politische Einstellungen von Kommunalpolitikern im Vergleich. Wiesbaden: Springer VS, pp. 35–79