Führt Kriminalitätsfurcht zu politischer Abstinenz oder Mobilisierung?

Zusammen mit Christoph Meißelbach

Politische Partizipation ist eine zentrale Säule demokratischer Systeme. Obwohl ihre Einflussfaktoren bereits intensiv erforscht wurden, ist die Rolle der Kriminalitätsfurcht als potenzieller Treiber oder Hemmnis politischer Beteiligung bislang unzureichend untersucht. Der vorliegende Beitrag analysiert auf Basis der SKiSAX-Befragung den Zusammenhang zwischen Kriminalitätsfurcht und politischer Partizipation und unterscheidet dabei zwischen personaler Kriminalitätsfurcht (Furcht, selbst Opfer einer Straftat zu werden) und sozialer Kriminalitätsfurcht (Wahrnehmung der Kriminalitätsentwicklung als gesamtgesellschaftliches Problem). Mithilfe von Strukturgleichungsmodellen und Probit-Regressionen wird überprüft, wie sich diese Dimensionen der Kriminalitätsfurcht auf die Wahlbeteiligung und politische Proteste auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass personale Kriminalitätsfurcht zwar kaum Einfluss auf politische Partizipation hat, allerdings den Einfluss der sozioökonomischen Ressourcenausstattung auf die politische Beteiligung moderiert: Bei Unterprivilegierten wirkt personale Kriminalitätsfurcht hemmend, bei Privilegierten hingegen nicht. Soziale Kriminalitätsfurcht wirkt sich dagegen zwar nur schwach auf die Wahlbeteiligung aus, verringert jedoch die diffuse Unterstützung des politischen Systems und erhöht dadurch die Protestneigung. Diese Befunde bergen weitreichende demokratietheoretische Implikationen und tragen zu einem vertieften Verständnis der Zusammenhänge zwischen Sicherheitsgefühl, sozialer Ungleichheit und politischer Beteiligung bei.

Dr. Reinhold Melcher
Dr. Reinhold Melcher
Political Scientist | R and Python Enthusiast | Wanna-be-Criminologist