Politisches "Falschwissen" und dessen Konsequenzen für Protestverhalten
Zusammen mit Viktoria Kaina
Dass politisches Wissen ein wichtiger Bestimmungsfaktor politischen Partizipationsverhaltens in Demokratien ist, kann als mittlerweile gut gesicherter Befund der nationalen wie internationalen politischen Wissensforschung gelten. So beteiligen sich Bürgerinnen und Bürger mit soliden politischen Kenntnissen öfter an nationalen (Westle et al. 2015, S. 127-128) sowie europäischen Wahlen (Braun und Tausendpfund 2019, S. 230) und nutzen häufiger non-elektorale Partizipationsmöglichkeiten (Westle 2012, S. 61-62). Je mehr also eine Person über die politische Sphäre weiß, desto politisch aktiver ist sie auch. Doch gilt dies vielleicht auch für Bürgerinnen und Bürger, deren politisches Wissen überwiegend falsch ist? Partizipieren Personen auf Grundlage falscher Politikkenntnisse möglicherweise genauso häufig oder sogar mehr als politisch Versierte? Bisher existieren dazu nur wenige empirisch gesicherte Befunde. Das ist insofern überraschend, als durch das Aufkommen der sozialen Medien, in denen sich abseits der klassischen Gatekeeper Falschmeldungen und Verschwörungstheorien nahezu ungehindert verbreiten können, zwar auch das Niveau politischen Falschwissens in der Bevölkerung zunehmen könnte. Die Folgen für die Demokratie im Allgemeinen und politisches Verhalten im Besonderen bleiben aber angesichts des Forschungsstands bislang ungewiss. Der geplante Beitrag richtet sein Augenmerk auf diese Desiderate und stellt die Forschungsfrage in den Vordergrund, welchen Einfluss politisches Falschwissen auf die Neigung zu politischer Partizipation der Bürgerinnen und Bürger hat – sowohl hinsichtlich der Beteiligungshäufigkeit insgesamt als auch differenziert nach unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten. Konkret geht es um die Frage, worin sich Personen mit falschen politischen Kenntnissen von jenen mit korrektem Wissen bezüglich ihres Partizipations- und insbesondere Protestverhaltens unterscheiden. Vor diesem Hintergrund soll nicht nur ein theoretischer Beitrag geleistet werden, indem die Konsequenzen politischen Falschwissens im Verhältnis zu korrektem Wissen und Nichtwissen für das individuelle Partizipationsverhalten und die Demokratie als Ganzes herausgearbeitet werden. Vielmehr wird der Einfluss falscher Politikkenntnisse auf politisches Verhalten auch empirisch geprüft. Als Grundlage der Datenanalyse dient der ALLBUS 2018, der mit seinen umfangreichen Itembat-terien zum politischen Wissen und zur politischen Partizipation dafür hervorragende Möglichkeiten bietet.