Die US-Präsidentschaftswahl 2024

Von Swing States, Gerrymandering und Project 2025

Dr. Reinhold Melcher

Gliederung des Vortrags

• Das politische Institutionensystem der USA
• Die USA und Deutschland im Vergleich
• Das US-Wahlsystem
• “Electoral College” beats “Popular Vote”
• Blue States, Red States und Purple States (“Swing States”)
• Blue, Red und Purple Counties?
• Blau oder Rot? Eine Frage der Identität …
• … und politischen Einstellung
• Von Wahlhürden und Salamandern
• Was wäre wenn, …
• Don’t panic!

Das politische Institutionensystem der USA

Quelle: Braml 2021, S. 15.

Gewaltenteilung (nach Steffani 1997)

• Horizontal: Konkurrenz und gegenseitige Kontrolle der drei Gewalten (“Checks and Balances”)
• Vertikal: Dualföderalismus zwischen Bund und Bundesstaaten
• Temporal: politische Ämter auf Zeit
• Sozial: formale Chancengleichheit bei Ämterbesetzung
• Dezisiv: Verhinderung von Machtkonzentration durch Aufteilung der Entscheidungsgewalt
• Konstitutionell: hohe Hürden für Verfassungsänderungen

Die USA und Deutschland im Vergleich

Parlamentarisches vs. präsidentielles Regierungssystem

Merkmal	parlamentarisch	präsidentiell
Legitimation	nur Parlament direkt gewählt, Exekutive nur indirekt	Präsident und Parlament mit eigener Legitimation
Gewaltenkontrolle	Gewaltenverschränkung	Trennung von Regierung und Parlament
politische Abberufbarkeit der Regierung	ja	nein (nur Amtsenthebung bzw. “impeachment”)
Parlamentsauflösungsrecht der Exekutive	ja	nein
Regierungsamt und Parlamentsmandat	vereinbar	unvereinbar
Partei- und Fraktionsdisziplin	stark	schwach
Beispiel	Deutschland	USA

Quelle: Braml 2021, S. 15; siehe auch Steffani 1979.

• Bzgl. schwache Fraktionsdisziplin: Senatoren sind nur ihrem Bundesstaat, Abgeordnete nur ihrem Wahlbezirk verpflichtet („politische Einzelunternehmer“ bzw. “political entrepreneurs”), weil jeweilige Partei keine Möglichkeit zur Disziplinierung hat - anders als im deutschen Parteiensystem
• Bzgl. Parlamentsauflösung durch Bundespräsident in Deutschland: erst nach verlorener Vertrauensfrage initiiert durch Bundeskanzler

Das US-Wahlsystem

Eckdaten

• Mehrheitswahlrecht: relative Mehrheit der Stimmen entscheidet
  
• Zweiparteiensystem: (Duverger’s Gesetz): die politische Macht wechselt zwischen Demokraten und Republikaner, kleinere Parteien (z. B. Independent Party, Green Party) spielen nahezu keine Rolle
• Kongresswahlen finden alle zwei Jahre bzw. in jedem geraden Jahr im Zuge der Präsidentschaftswahlen oder “Midterm Elections”: Wahl eines Drittels der 100 Senatsmitglieder und aller 435 Mitglieder des Repäsentantenhauses
• Präsidentschaftswahlen in den USA alle vier Jahre: indirekte Wahl über 538 Wahlleute (“Electoral College”) und nach dem “Winner-takes-all-Prinzip” (außer in Nebraska und Maine)

Besonderheiten der Präsidentschaftswahlen

• Kleine Bundesstaaten haben überproportionalen Einfluss durch mindestens drei Wahlmännerstimmen.
• Möglichkeit eines “Popular Vote”-Verlusts: Ein Kandidat kann landesweit die meisten Stimmen erhalten und dennoch verlieren.
• Einige wenige Bundesstaaten sind besonders umkämpft und können das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen: Swing States

“Electoral College” beats “Popular Vote”

Quelle: https://www.britannica.com/event/Bush-v-Gore.

Quelle: https://www.britannica.com/topic/United-States-presidential-election-of-2016.

1824 – John Quincy Adams vs. Andrew Jackson

1876 – Rutherford B. Hayes vs. Samuel J. Tilden

1888 – Benjamin Harrison vs. Grover Cleveland

• George W. Bush verlor den Popular Vote gegen Al Gore (50.456.062 zu 51.009.793), gewann aber die Wahl durch das Electoral College mit 271 Wahlleutestimmen. Am Ende musste sogar der Supreme Court über die Neuauszählung in Florida entscheiden.

• Donald Trump gewann die Wahl gegen Hillary Clinton, obwohl Clinton im Popular Vote mit etwa 65,8 Millionen Stimmen zu Trumps 62,9 Millionen Stimmen führte.

Blue States, Red States und Purple States (“Swing States”)

Differenz im Wähleranteil zur Präsidentschaftswahl 2020

Quelle: Eigene Darstellung. Datenquelle: Federal Election Commission.

• Blue States: Staaten mit sicherer demokratischer Mehrheit
• Red States: Staaten mit sicherer republikanischer Mehrheit
• Swing States / Purple States: umkämpfte Staaten mit unklarer Mehrheit, die wahlentscheidend sein können
• Aktuelle Swing States: Nevada und Arizona, Wisconsin, Michigan und Pennsylvania (“Rust Belt”) sowie North Carolina und Georgia (“Bible Belt”)

Blue, Red und Purple Counties?

Differenz im Wähleranteil zur Präsidentschaftswahl 2020

Quelle: Eigene Darstellung. Datenquelle: New York Times.

• Demokraten erzielen Erfolge vor allem in urbanen Zentren (z. B. die “East Coast” und “West Coast”)
• Republikaner sind im ländlichen Raum erfolgreich (z. B. in den “Heartlands” oder im “Bible Belt”)
• Eine von vielen Ursachen: Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen konzentrieren sich geografisch

Blau oder Rot? Eine Frage der Identität …

Quelle: Eigene Darstellung.

Quelle: Pew Research Center

Erhebungszeitraum: 2018 bis 2019

Art der Befragung: Telefonische Befragung

Anzahl der Befragten: 12.000

Grundgesamtheit: registrierte Wählerinnen und Wähler ab 18 Jahre

… und politischen Einstellung

Quelle: Eigene Darstellung.

Quelle: YouGov

Erhebungszeitraum: 19. bis 22. Oktober 2024

Art der Befragung: Online-Umfrage

Anzahl der Befragten: 1.607

Grundgesamtheit: registrierte Wählerinnen und Wähler ab 18 Jahre

Von Wahlhürden und Salamandern

• Registrierungspflicht:
  • Weil es kein zentrales Melderegister wie in Deutschland gibt, muss sich jeder selbst zur Wahl registrieren
  • Die Regeln variieren zwischen Bundesstaaten: Registrierung in Georgia spätestens 29 Tage vor dem Wahltag, in Kalifornien Same-Day-Registration, in North Dakota gibt es keine Registrierungspflicht
• Identitätsnachweis:
  • Wählerinnen und Wählern müssen ihre Identität z. B. über Führerschein oder Reisepass nachweisen
    
  • Identifikationsanforderungen variieren stark zwischen Bundesstaaten
• Begrenzte Briefwahlmöglichkeiten: Regeln variieren stark zwischen Bundesstaaten
• Gerrymandering bei Abgeordnetenhauswahlen:
  • Grenzen von Wahlbezirken werden strategisch verändert, um eigene Mehrheiten zu sichern
  • Stimmenmaximierung für eine Partei, Benachteiligung der Opposition
  • Packing und Cracking: Konzentration oder Zerstreuung von Wählergruppen zur Einflussnahme

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gerrymandering#/media/Datei:The_Gerry-Mander.png.

zum Bild: Satirische Darstellung der Wahlbezirke von Massachusetts aus dem Jahr 1812

Der Begriff ist ein Kofferwort aus Gerry und Salamander: Elbridge Gerry, seinerzeit Gouverneur von Massachusetts und später Vizepräsident der Vereinigten Staaten, unterzeichnete im Jahr 1812 ein Gesetz zum Neuzuschnitt der Wahlkreise für den Senat von Massachusetts.

Was wäre wenn, …

… Donald Trump gewinnt?

Project 2025 der Heritage Foundation:

Personalpolitik und Verwaltung: Austausch von bis zu 50.000 Bundesbeamten durch politische Beamte.

Richtlinien zur Umstrukturierung: Umgestaltung und Verschlankung von Bundesbehörden und Stärkung exekutiver Befugnisse.

Konservative Neuausrichtung der Gesetzgebung: Kontrolle von Zuwanderung, Einschränkung von Umweltschutzbestimmungen, marktorientierte Wirtschaftspolitik und Neuausrichtung der Schulbildung.

… Kamala Harris gewinnt?

Orientierung an Biden-Administration, aber progressivere Schwerpunktsetzung:

Klimapolitik: Harris unterstützt ambitionierte Klimamaßnahmen, einschließlich eines potenziellen Fracking-Verbots, das Biden bisher abgelehnt hat.

Technologie und Datenschutz: Stärkere Bereitschaft zu direkter Regulierung von Tech-Unternehmen z. B. im Bereich künstlicher Intelligenz und Datenschutz.

Nahostpolitik: Harris setzt sich im Israel-Palästina-Konflikt für eine aktivere humanitäre Rolle und eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Sie fordert eine Waffenruhe und drängt auf eine stärkere Berücksichtigung palästinensischer Anliegen.

Don’t panic!

        Per Anhalter durch die Galaxis